Leipziger Buchmesse 2023

von Mirjam C. Hoff

Als wir das Haus verließen, sprach uns die Nachbarin auf der Treppe im Vertrauen an. „Ich war auch schon mal auf der Buchmesse“, flüsterte sie. Und ein Kollege meinte gar: „Mein Sohn MUSS dieses Jahr mit der Schule dorthin!“ Sein Horror war kaum zu überhören.

Ganz kurz habe ich mir auch gedacht: „Warum tut man sich das an? Warum quetscht man sich mit tausenden anderen Menschen einen ganzen Tag lang durch überfüllte Hallen, um Bücher zu betrachten die man sich gemütlich von seinem Sofa aus, auf seinem Laptop betrachten könnte?“ Aber das war natürlich nur ein ganz kurzer Augenblick, als der Cosplayer sich mit seinen riesigen roten Flügeln (Spannweite zwei Meter) hinter uns in die überfüllte Straßenbahn quetschte, die uns zum Messegelände brachte.

In Wahrheit ist die Buchmesse seit Jahren ein Event in unserem Jahreskalender und der kilometerlange Marsch durch die fünf Messehallen wird mit dem Messeprogramm und der Wahl der Verpflegung (einschließlich Kaffeecoupon am Stand der Stadt Halle) akribisch geplant. In den letzten drei Jahren haben wir wehmütig auf dieses Highlight im Frühling verzichten müssen.

Als klar war, dass die Messe dieses Jahr wieder stattfindet, stand sofort fest, dass auch wir wieder dabei sein würden.

Pünktlich eine halbe Stunde vor Eröffnung mit den Online-Tickets durch das Drehkreuz getreten, nutzten wir die Zeit, einem Cosplayer-Trio bei der Komplettierung ihrer Kostüme zuzuschauen.

Ein paar letzte Aussteller zwängten sich eilig durch die summende Menge. So früh war noch niemand genervt oder ungehalten, alle waren in freudiger Erwartung, bis die dicken Taue aufgehakt wurden und die Menschen durch die transparenten Röhren in die Hallen strömten. Gleich nach den ersten Metern wurden wir von einer Autorin an ihren kleinen Stand gerufen, die von einem Lakotahäuptling die Gabe der Geisterwanderung erlernt hatte (?) und uns erzählt, dass sie darüber unbedingt ein Buch schreiben musste. Ich nahm mir einen Flyer und flüchtete. (Ich erinnere mich an eine Tarotlesung vor Jahren und an die obskure Theorie eines alternden Schlagersängers, dass Barium der Grund für Grippe ist.) Nirgends sonst finde ich Menschen dieses Schlages so interessant.

Ein bisschen später hatte ich am Stand des Querverlages mit Inge Lütt ein nettes Gespräch und nach Anfrage durfte ich ihr sogar kurz meinen (noch immer nicht fertigen) Roman pitchen. Als „alter Hase“ weiß ich natürlich, dass das auf einer Messe schon eine große Ausnahme ist.

Aber trotzdem waren wir ja nicht deshalb auf die Messe gekommen. Am Ende haben wir nicht nur acht Kilometer Messeweg hinter uns. Wir haben uns die Neuerscheinungen angesehen. Einen Stapel Bücher mit nach Hause genommen und auf der Mangamesse den Zeichnern über die Schulter geschaut, wie sie mit leichter Hand phantastische Figuren erschaffen. Wir haben die außergewöhnlichen Kostüme der Cosplayer bewundert, verschiedenen Autoren bei ihren Lesungen zugehört und ich habe Material für meine eigene Schreibpraxis gesammelt.


Autorin: Mirjam Hoff