Selfpublishing oder Verlag

von Mirjam C. Hoff

Podiumsdiskussion mit Patricia Holland-Moritz und Vera Nentwich

Am 5.11.22 haben wir die Autorinnen Patricia Holland-Moritz und Vera Nentwich ins Putjatinhaus eingeladen, um eine Frage zu klären, die sich heute wahrscheinlich wohl jeder frisch gebackene Autor stellt: Was macht man denn, nachdem man das erlösende Wort ENDE unter seinen Text geschrieben hat? Soll man sich einen Verlag suchen oder sich unter das illustre Völkchen der Selfpublisher mischen?

Patricia Holland-Moritz, die das klassische Buchgeschäft von der Pike auf gelernt hat (sie arbeitete lange beim Ullstein-Verlag und hat mehrere von Verlagen veröffentlichte Bücher geschrieben), hatten wir auf die Pro-Verlag-Seite gesetzt.

Vera Nentwich, als zweifache Vorsitzende des Selfpublisher-Verlages (mit immerhin 11 selbst publizierten Büchern) vertrat die Selfpublisher-Seite.

Im Bild von links nach rechts: Mirjam C. Hoff, Vera Nentwich, Willi Hetze, Patricia Holland-Moritz

Schon der Aussage, dass es Selfpublishing erst seit 2011 gibt, als Amazon den deutschen Kindle-Store veröffentlichte und somit das Selfpublishing ermöglichte, widersprachen beide Damen energisch. Auch sonst gab es zwischen Pro-Verlag und Pro-Selfpublisher bei Weitem nicht die Gräben, die wir uns vorgestellt hatten. Beide Gäste waren der Meinung, dass ein Autor, der heutzutage nur in Ruhe sein Buch schreiben will und sonst nichts vom Prozess des Publizierens und Verkaufens weiß, eine Unmöglichkeit ist.

Im Allgemeinen nähern sich Verlag und Selfpublishing stetig einander an, auch was die großen Buchhändler betrifft. Im Oktober wurden die Gewinnerinnen und Gewinner des Selfpublishing-Buchpreises 2022 gekürt. Der mit 30.000 Euro dotierte Preis, wurde bei der ausverkauften Preisverleihungsgala im Rahmen der Frankfurter Buchmesse übergeben. Je ein Titel kam aus den Kategorien Belletristik, Kinder- und Jugendbuch, Sachbuch/Ratgeber sowie der Sonderkategorie Kurzprosa. Neben dem Preisgeld gab es ein Marketingpaket, das unter anderem die Aufnahme der ausgezeichneten Titel in alle Thalia-Filialen enthielt.

Vera Nentwich ist überzeugt, dass es in ein paar Jahren Normalität sein wird, Selfpublisherbücher in allen Buchhandlungen zu finden. Sie selbst würde auf keinen Fall die Kontrolle über ihre Texte abgeben, nur um eine Verlagsautorin zu werden. Marketing ist heutzutage ohnehin Sache der Autoren, gerade bei kleinen Verlagen. Und der unerfahrene Autor tappt so zumindest nicht in die Falle, an einen der vielen Druckkostenzuschussverlage zu geraten.

Die schlechten Autoren, da waren sich unsere beiden Gäste einig, verschwinden früher oder später. Die Torwächterfunktion, die früher die Lektoren und Agenturen innehatten, wird der Markt direkt übernehmen.

Bereits heute hat der 2015 in Frankfurt gegründete „Verband der Selfpublisher“ über 1000 Mitglieder und ist damit der zweitgrößte deutsche Schriftstellerverband hinter dem VS (Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller). Er ist Mitglied im Deutschen Kulturrat (wird dort von Vera Nentwich vertreten). Seine Präsenz macht es einfacher, sich für die Interessen unabhängiger Autoren einzusetzen und Hürden abzubauen, die für Selfpublisher immer noch bestehen.

Nach dem ersten Teil des Streitgesprächs ging es in eine kulinarische Pause mit leckerem Glühwein aus dem Hause Wackerbarth, mit Häppchen und Stollen und interessanten persönlichen Gesprächen. In der zweiten Hälfte der Veranstaltung wurden ganz konkrete Tipps zum Publizieren gegeben. So brach Patricia Holland-Moritz eine Lanze für Literaturagenturen. Frau Nentwich ließ uns genauer in die Arbeit einer Selfpublisherin hineinsehen: Wie viel muss man für ein Buch investieren, wann benötigt man einen Facebook-Account, um Werbung zu machen? Und wann kann man sich diesen sparen? Nach einem gelungenen und überraschend kurzweiligen Abend haben wir alle beschlossen, in nicht allzu ferner Zukunft eine Folgeveranstaltung zu organisieren. Vielleicht können dann unsere Mitglieder von ihren Erlebnissen beim Abenteuer Buch erzählen.


Autorin: Mirjam Hoff