„Else blau“ von Christiane Gibiec

von Friedelbert Heidrich

Else-Lasker Schüler wurde 1879 in Elberfeld geboren, im Januar 1946 starb sie in Jerusalem und wurde auf dem Friedhof des Ölbergs bestattet. Dazwischen liegt ein Leben als Literatin, Malerin, Kämpferin für Frauenrechte, Helferin für Bedürftigere als sie es selbst oftmals war. Ein Leben mit geringer Ordnung und Stabilität, schöpferischen Hochphasen, Depressionen, Kämpfen gegen Armut, Behörden und Antisemitismus.

Die Autorin von „Elsa blau“, Frau Christiane Gibiec, hat mit ihrer fiktionalen Biografie von Else-Lasker Schüler drei wesentliche Bereiche aufgezeigt, die oft exemplarisch verknüpft sind. So ist die literarische Freundschaft zu Gottfried Benn für Else eine albtraumhafte Beziehung. Gottfried Benn verherrlicht den Nationalsozialismus und damit zwingend auch den Antisemitismus. Er diskreditiert damit Else, die an sich von ihm geschätzte Dichterin.

Sie selbst geht häufig mit dem Attribut „hervorragende“ Dichterin durchs Land, vor allem bei ihren Bittkampagnen, Bitten um Geld oder Aufträge. Gerhard Hauptmann dazu lapidar:“ Ja, sie ist eine Dichterin.“ Die tiefe persönliche und künstlerische Verbindung zu Franz Marc wird zum Trauma. Der von Else so hoch geschätzte Maler fällt im Ersten Weltkrieg.

Persönliches, Zeitgeschichtliches und vor allem Literaturgeschichtliches sind in Gibiec Buch gut aufgezeigt und in ihrer Verknüpfung „par personam Else“ in ein literarisches Bild gebracht worden. Elses Leben ist dennoch schwer zu verstehen. Ihre Biografie zeigt eine unstetige, von Überenergie getriebene Else. Energien, die in ihrem Ausmaß in falsche Entwicklungen führen, schon von früher Jugend an. Ihre immer brüchigen und instabil geführten Beziehungen zu Männern sind Teil ihres Verderbens. Das verquere Verhältnis zu Geld: Wenn Sie welches hat, verteilt sie an beliebige Bedürftige. Mahnend ist dargestellt der Kampf gegen Bürokratie, deren Macht und gleichzeitige Notwendigkeit Else verdrängt und verkennt.

Die Schilderung der Aufenthalte in der Schweiz ist dafür beispielhaft. Der Tod ihres innig geliebten Bruders Paul in früher Zeit hat einen traumatischen Abgrund aufgetan. Ihr wohl fragwürdiger Lebenssinn vermittelt ihre prokrastinierende Schaffensweise. Sie treibt sie regelmäßig in literarisch extreme Arbeit. Oft in periphere Situationen. Einmal stiehlt sie auf der Post Telegrammformulare, um überhaupt Schreibpapier für ihre aufsprudelnden Ideen zu haben. Ihr ewiger Traum von Jerusalem wird von der Wirklichkeit vor Ort zum Platzen gebracht. Streit und Ordnungsunfähigkeit lassen sie dort mehr vegetieren als leben, was letztendlich zu ihrem Tod führt.

Die vielen Kunstpostkarten von hohem Wert, die sie von Franz Marc im Austausch erhalten hatte, gingen schon in den 1920er-Jahren in Staatsbesitz über. Ihre Bücher konnten sie nicht am Leben halten. Ihr Hauptwerk „die Wupper“, eine Hommage an ihre Heimat und Geburtsstadt, hatte anfangs Erfolge, blieb aber letztlich nur ein ideeller Erfolg.

Gibiec ist es gelungen, die wenigen wichtigen Dinge innen und außen im gesamten Leben von Else angemessen und inhaltlich mit Maß zu beschreiben. Das allein macht das Buch lesenswert. Auch kleine Schwächen trüben die Leselust nicht. Dass direkte Rede nicht durch Satzzeichen gekennzeichnet ist, stört zunächst. Man liest letztlich an diesen Stellen langsamer und damit intensiver. Schön wäre es, wenn das Werk ein umfangreicheres Glossar erhielte. Gerade die hebräischen Textfacikel bedürfen einer qualifizierten Übersetzung. Die Autorin weist daraufhin, dass die Texte im Elberfelder Sprachkolorit nur Näherungen sind. Der intime Kenner dieses Sprechs lässt dies gönnerhaft passieren, auch wenn „leck meck in de Täsch“ nicht nur einen Ausdruck von Anerkennung sein kann.

Das Buch „Else blau“ ist im Bergischen Verlag Remscheid erschienen, ISBN 978-3-943886-26-9 und kostet € 19,95; Mehr über die Autorin: Christiane Gibiec – Autorin, Kreatives Schreiben


Autor: Friedelbert Heidrich