Wolfram Eilenberger: Feuer der Freiheit

von Kay

Die Liebe zur Weisheit ist eine Reise wert. Unser Reiseleiter, Wolfram Eilenberger, nimmt uns mit durch die Welt und die Geschichte der Ideen. Der Philosoph, SRF Moderator und DFB Trainer hat sich ein originelles Konzept ausgedacht: In bisher drei Büchern vergleicht er jeweils vier Philosophen bzw. Philosophinnen, die zur gleichen Zeit gelebt haben, sich aber nicht unbedingt begegnet sind. Dabei beschreibt er nicht nur deren Ideen, sondern vor allem ihre Schicksale und Persönlichkeiten.

Ein besonderes spannendes Buch ist „Feuer der Freiheit „, in dem Simone Weil, Ayn Rand, Simone de Beauvoir und Hannah Arendt die Hauptrollen spielen. Die erste war eine ehemalige Marxistin, die sich zur katholischen Mystikerin weiterentwickelte, die zweite, geflüchtet vor den russischen Verhältnissen nach der Oktoberrevolution, wurde zur Apologetin der Selbstverwirklichung des Einzelnen und damit des Egoismus, die dritte war Existenzialistin, sie verteidigt die Freiheit der Frau, ihr Leben selbst zu entwerfen, die vierte verehrte Kant, war Praktikerin der Vernunft und verurteilte jede Art von Totalitarismus, dessen Entstehung sie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts hautnah beobachten konnte.

„Feuer der Freiheit“ ist beileibe keine Kurzprosa, aber sehr lebendig geschrieben. Durch die abschnittweisen Sprünge von einer Protagonistin zur nächsten gelingt es Eilenberger, sie dem Leser in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten so nahe wie nur möglich zu bringen. Eilenberger bewegt sich sehr dicht an den Frauen, weshalb ihre emotionalen Zustände in den schlimmen Zeiten des organisierten Antisemitismus (drei von ihnen waren Jüdinnnen), der Besatzung Frankreichs durch die Deutschen und dem Verhaftungsterror in der Sowjetunion sehr gut nachfühlbar sind. Besonders das tragische Schicksal Simone Weils und die Verzweiflung ihrer Eltern treibt Tränen in die Augen des Lesers. Trotzdem hätte ich mir ein wenig mehr Ironie gewünscht, die in kleinsten Häppchen hier und da serviert wird.

Das Buch ist gerade für Nicht-Philosophen ein wunderbarer Einstieg in die Formen des professionellen Denkens während der Zeit des Totalitarismus. Es zeigt, wie vier Philosophinnen versuchten, mit den kriegerischen Katastrophen umzugehen, Antworte auf die plötzliche, konzentrierte Brutalität, Unmenschlichkeit, und vor allem die massive Einschränkung der individuellen Freiheiten zu finden: das egoistische „Ich will, ohne Verpflichtung gegenüber irgendeinem Kollektiv“, das existenzialistische „Ich darf nicht vor der Freiheit fliehen, aber mein freier Wille soll von freien Willen anerkannt werden, um authentisch zu sein“, das praktische: „Ich will, aber nur die gegenseitig Anerkennung führt in eine funktionierende, insgesamt freie und demokratische Gesellschaft“, dem gegenüber das selbstaufopfernde: „Ich will nicht, sogar von meinem Ich will ich mich befreien.“

Trotz dieser teils drastischen Unterschiede im Freiheitsverständnis haben sie doch eine, ihre größte Freiheitssehnsucht gemeinsam: die Freiheit zu schreiben.

„Feuer der Freiheit“ ist bei Klett-Cotta erschienen.


Autor: Kay