Zwischen den Zeiten leuchtet der Schnee

von Kay

Lesung von Wiete Lenk, moderiert von Undine Materni, im Erich-Kästner-Museum Dresden

Eine Premiere steht an. Wiete Lenk stellt ihren ersten Roman vor, eine Familiengeschichte, die auf 313 Seiten das vergangene Jahrhundert durchlebt. Doch beginnen wir am Anfang: dem tödlichen Ende.

Vom Nadel-Oswald aus dem Nicht- Internet über zimtbestäubte Fleischspeisen leitete Undine Materni auf Anselm Krueger. Es schneit. Es ist kalt. Fenster und Türen bitte geschlossen halten! Großvater Anselm ist der Held zwischen den Zeilen, Verzeihung, den Zeiten. Großvater Anselms Leben endet im ersten Kapitel, genauer gesagt, im Bett zwischen einer hellrosa Qualle mit weißen Zähnen, einem chinesischen Frotteehandtuch und einem Buffet mit Kristallschale voller Schokolade in Stanniolpapier.

Zeitensprung. Rückblickend zeigt uns Wiete Lenk ihre erzgebirgischen Helden: Anselm, den Lehrer und Sozi, seine Frau Carolina Michaela Johanna, Spross einer reichen Fabrikantenfamilie und die Ich-Erzählerin, Anselms und Hanna Jos Enkelin. Augenzwinkernd und anrührend erzählt Wiete von Anselms Kindheit, danach von den ersten, mehr oder weniger begehrlichen Blicken, die er auf seine zukünftige Frau warf. Mit Kneifer, zwischen Posamenten und Schabracken kommt es zur Vermählung. Ihre Zukunft erfahren sie aus gegossenem Blei: Kochtöpfe, Kometen und Stahlhelme.

Nach der Lesung folgt das Gespräch. Undine hat viel Lob übrig für die Leichtigkeit des Buches, für die aufwändige Recherche und die alten Begriffe, die Wiete neuentdeckt hat. Wiete plaudert aus dem schriftstellerischen Nähkästchen, wie sie alte Familienfotos betrachtete und dabei besonderes Augenmerk auf den Hintergrund legte, auf die Möbel, wie der Tisch gedeckt war. Um den Duktus der alten Zeit zu übernehmen, habe sie die „Gartenlaube“ gelesen, eine illustrierte Zeitung, die ab 1853 in Leipzig erschien. Trotzdem unterschätzte sie den Arbeitsaufwand, den es braucht, um derart tief in die Vergangenheit einzutauchen. Für Schreibanfänger hatte sie ein paar Tipps parat:

Fangt bloß nicht mit dieser aufwändigen Art Romanen an.
Es ist keine Schande, nochmal in die Kapitel zu gehen, und die Konstruktion zu ändern.
Aufpassen, damit man nicht in das Allgemeine verfällt.
Die „Geschwätzigkeit“ des Romans ist ein großer Vorteil gegenüber der Kurzgeschichte.
Uns allen riet sie, den Humor zu bewahren, auch wenn zwischen den heutigen Zeiten kein Schnee leuchtet.

„Zwischen den Zeiten leuchtet der Schnee: Roman einer Familie“ ist im GMEINER-Verlag erschienen.


Autor: Kay Potzger